Bereit für die Energiewende

Ursina Dorer hat unter den Studierenden der Graduate School of Climate Sciences den besten Abschluss ihres Jahrgangs erzielt und wurde für ihre Leistung mit einem «2022 Oeschger Young Scientist’s Prize» ausgezeichnet. Heute bringt sie eine Solarenergie-Firma voran.

Eigentlich sah Ursina Dorer ihre berufliche Zukunft in der internationalen Zusammenarbeit. Sie hatte an der Universität Zürich einen Bachelorabschluss in Politikwissenschaften gemacht und danach ein Praktikum bei Swisspeace, einer Organisation, die in der Friedensförderung tätig ist. Schon hatte sie sich auch für ein Masterstudium in internationalen Beziehungen am Graduate Institute in Genf angemeldet. Doch dann kamen ihr Zweifel: «Ich merkte, dass ich in meinem Leben einen lokalen Bezug brauche und mich nicht primär in einem internationalen Umfeld bewegen wollte.»

Bei ihrer Suche nach Alternativen stiess Ursina Dorer auf den Klimamaster an der Universität Bern, der sie seiner interdisziplinären Ausrichtung wegen ansprach. «Die Natur lag mir schon immer sehr am Herzen. Das Klimathema ist hochaktuell und hat sowohl globale als auch lokale Aspekte.» Als Schwerpunkt wählte sei Klima- und Umweltökonomie. «Da gab es Anknüpfungspunkte zu meinem Bachelorstudium», erzählt sie. In den Wirtschaftswissenschaften habe sie aber auch neue Methoden und Arbeitsweisen kennengelernt – nicht zuletzt das Arbeiten mit theoretischen ökonomischen Modellen. Was hat die Preisträgerin des «Oeschger Young Scientist’s Prize» an ihrer Masterausbildung besonders geschätzt? Ursina Dorer: «Man lernt die Mindsets der verschiedenen Disziplinen kennen.» Die unterschiedlichen Brillen gewissermassen, mit denen die jeweiligen Forschungsrichtungen auf den Klimawandel blicken. Das helfe bei der «Gesamtbetrachtung von interdisziplinären gesellschaftlichen Problemen».

Technologieentwicklung fördern

Eine besonders spannende und lehrreiche Zeit war für Ursina Dorer auch das Verfassen ihrer Masterarbeit. «Ich hatte Lust, noch einmal tief in ein Thema einzutauchen und sehr theoretisch zu arbeiten.» Vielleicht zum letzten Mal, denn langfristig, so die heute 27-jährige, sehe sie sich eher als Praktikerin. Der Titel ihrer Arbeit: «Lernen und Spillover-Effekte bei erneuerbaren Energietechnologien und ihre Rolle beim Ausstieg aus fossilen Brennstoffen». Oder etwas ausführlicher und für Laien ausgedrückt: Die Klimaökonomin entwickelte ein Wettbewerbs-Modell für Energiemärkte, das miteinbezieht, dass erneuerbare Energien im Vergleich zu den fossilen noch über viel Lern- und damit Kostensenkungspotenzial verfügen. Hauptresultat der Untersuchung: Um den Erneuerbaren zum Durchbruch zu verhelfen, ist es wenig sinnvoll, fossile Energien lediglich stärker zu besteuern. Viel effizienter wäre es, die Entwicklung von technisch noch nicht so weit fortgeschrittenen erneuerbaren Alternativen finanziell zu unterstützen, damit diese möglichst rasch eigenständig wettbewerbsfähig werden.

Solaranlagen auf fremden Dächern

Einen starken Bezug zu erneuerbaren Energien hat Ursina Dorer auch beruflich. Parallel zu ihrem Masterstudium arbeitete sie beim Startup Solarify. Heute ist sie dort für Marketing und Kommunikation verantwortlich. Das Geschäftsmodell des Unternehmens: Hausdächer mieten und darauf Photovoltaikanlagen erstellen. Finanziert werden diese Anlagen von Privatpersonen und Firmen, welche einzelne Panels der Anlage erwerben und dafür später mit den Erträgen der Stromproduktion einen kleinen Gewinn erwirtschaften können. «Das war für mich schon immer mehr als ein Studentenjob», erklärt Ursina Dorer. «Ich bin kurz nach der Anfangsphase zu Solarify gestossen und konnte das Wachstum in den letzten Jahren mitgestalten.»

So sieht die Preisträgerin des «Oeschger Young Scientist’s Prize» auch ihre nähere berufliche Zukunft beim Unternehmen, das seit 2016 in der ganzen Schweiz mehr als 50 Solaranlagen via Bürgerbeteiligung erstellt hat. «Wir tragen ganz konkret dazu bei, die Energiewende voranzutreiben», betont sie, «unsere Arbeit hat einen relevanten Impact.» Wo sie der Klimamaster, den sie mit der bisher nie erzielten Bestnote von 6,0 abgeschlossen hat, langfristig hinführen wird, steht in den Sternen. Doch mit ihrem Leistungsausweis dürfte Ursina Dorer keine Mühe haben, spannende berufliche Herausforderungen zu finden. Bloss ein Wermutstropfen trübt ihre erfolgreiche Karriere: «Ich vermisse bei der Arbeit die Natur.»

 

(Februar 2023)