«Wir tauschen Zeit gegen Raum»
Und schliesslich betreibt Suz Everingham an einem Standort in Münchenbuchsee selbst Feldarbeit im Rahmen des BugNets. Die untersuchten Flächen sind typisch für Grasland im Schweizer Mittelland mit Arten wie der Aufrechten Trespe, dem Wolligen Honiggrass oder der Acker-Witwenblume. Auf den untersuchten Flächen vor den Toren Berns wurden 1053 Insekten gefunden, darunter viele Spinnen, Laubheuschrecken, Käfer, Fliegen und Ameisen. Weitere Schweizer Versuchsstandorte finden sich im Jura und in Davos.
An den Schweizer Standorten zeigt sich die Strategie des ganzen Projekts: das BugNet bildet nicht nur unterschiedliche geographische Regionen ab, sondern auch unterschiedliche Höhenstufen und Vegetationstypen. Denn nur so lässt sich etwas über die Folgen des Klimawandels aussagen, ohne auf jahrzehntelange Beobachtungsreihen angewiesen zu sein. «Wir tauschen Zeit gegen Raum», erklärt Suz Everingham. Will heissen: Der Blick auf die Verhältnisse etwa in Südeuropa, zeigt, mit welchen Bedingungen Pflanzen und Schädlinge in einigen Jahrzehnten nördlich der Alpen konfrontiert sein werden. «So können wir vorhersagen, wie sich beispielsweise die Art, wie die Pflanzen angegriffen werden, mit dem Klimawandel verändert.»
Die vergleichende Studie will unter anderem herausfinden, wie wichtig die direkten Auswirkungen des Klimas im Vergleich zu den indirekten Auswirkungen sind, die sich bei den Veränderungen der Pflanzengemeinschaft zeigen. Zudem will das BugNet ergründen, wann Insekten, Pilze und Schnecken die stärksten Auswirkungen auf Pflanzengemeinschaften haben – sei es auf die Produktivität, die Zusammensetzung der Gemeinschaft und die Vielfalt. Und schliesslich wollen die Forschenden auch wissen, ob sich die Schädlinge in ihren Auswirkungen auf Pflanzengemeinschaften unterscheiden. Die ersten Resultate sollen 2023 publiziert werden.
Weit weniger klar geplant ist die persönliche Zukunft von Suz Everingham. Ihre Postdoc-Stelle in Bern ist auf drei Jahre befristet. Gerne möchte sie auch danach in der Forschung verbleiben. «Mir gefällt die Freiheit in der akademischen Welt, Fragen stellen zu können», sagt sie. «Doch wo dies in Zukunft möglich sein wird, weiss ich noch nicht.» Suz Everingham steht erst am Anfang ihrer spannende Reise in die weite Welt der Wissenschaft.
(Mai 2022)