Karrieren dieser Art haben Seltenheitswert. In ihrer ersten Ausbildung studierte Sarah Meier Musik und machte einen Masterabschluss in klassischer Trompete. Danach wurde ihr bewusst, dass sie zwar mit Begeisterung selbst Musik machte, doch eine Tätigkeit als Musiklehrerin konnte sie sich auf die Länge nicht vorstellen. «Da sucht ich nach Back-up-Plänen», erzählt sie in ihrer zupackenden Art.
Ein Freund machte ihr das Volkswirtschaftsstudium schmackhaft. Gesagt getan. Die Trompeterin machte ihren zweiten Bachelor: VWL an der Universität Bern. Dabei besuchte sie auch Vorlesungen in Umweltökonomie, was ihr Interesse am Klimamaster weckte. Neben den Inhalten dieses Masterstudiums sprach sie noch ein zweiter Umstand an: «Mich zog das internationale Flair an, das ich aus der Musik gut kannte.» Das Wirtschaftsstudium hingegen hatte sie ganz anders erlebt: «Da waren alle gleich wie ich – ich vermisste die Diversität.»
Im Master pflegte Sarah Meier dann tatsächlich einen intensiven Austausch mit Menschen aus aller Welt – und sie suchte sich auch für ihre Schlussarbeit ein weltläufiges Thema aus. Sie untersuchte, wie sich Naturkatastrophen in den USA auf die Religionszugehörigkeit der betroffenen Menschen auswirkte. «Auf den ersten Blick, mag das weithergeholt erscheinen», meint sie, «aber beim näheren Hinsehen merkt man, dass Naturkatastrophen und Religion schon immer viel miteinander zu tun hatten.»
Veränderte Rolle der Kirchen
Die junge Klimaökonomin arbeitete mit Methoden der Data Science und analysierte sowohl klimatologische Daten wie solche aus Kirchenregistern. Fazit: Obwohl man vermuten könnte, leidgeprüfte Menschen suchten generell stärker die Nähe einer Kirche, sah die Realität anders aus. Sarah Meier konnte zeigen, dass im Jahr nach einem verheerenden Hurrikan der Anteil der Kirchenmitglieder nicht zu, sondern abnimmt. Weshalb? «Bei der Antwort auf diese Frage, bewegen wir uns im Gebiet der Hypothesen», stellt sie klar. Möglich wäre zum Beispiel, dass der Staat mittlerweile Hilfsaufgaben übernimmt, für die traditionellerweise die Kirche zuständig war.
Sarah Meier arbeitet weiterhin in der Wissenschaft. Sie schreibt zurzeit an einer Doktorarbeit als Ökonomin. Thema: «Die quantitative Bewertung der ökonomischen Auswirkungen von Waldbränden in Europa». Die Untersuchung ist Teil eines europäischen Projekts unter dem Titel «Training a new generation of wildfire scientists». Eigentlich arbeitet die Forscherin aus der ländlichen Schweizer Region Entlebuch heute an der Universität von Birmingham. Doch den Einschränkungen der Pandemie wegen ist sie noch nicht nach England umgezogen.
Übrigens: Sarah Meier ist ihrer alten Liebe treu geblieben. Sie begeistert sich nicht nur für wirtschaftswissenschaftliche Fragestellungen, sie spielt auch weiterhin klassische Trompete in Symphonieorchestern. Leidenschaftlich. Denn die beiden gleichwertigen Bereiche ihres Lebens ergänzen sich bestens: «Die Konzentrationsfähigkeit, die ich mir als Musikerin angeeignet habe, kommt mir auch in der Forschung zugute. Ich empfinde es als grosse Bereicherung, in beide Welten abtauchen zu könnten und bin überzeugt, dass dies dazu beiträgt, vieles unter einen Hut zu bringen.»
(Februar 2020)