Tatsächlich hat die junge Holländerin im Lauf ihrer Karriere schon einige Neuanfänge erlebt. Zuerst studierte sie physische Geografie und Geologie an der Universität Utrecht und war Austauschstudentin am Trinity College in Dublin. Für ihre Doktorarbeit zog sie nach Schweden und forschte an der Universität von Lund. Zu ihrem neuen Fachgebiet wurden langzeitliche Klima- und Landnutzungsrekonstruktionen. Dann lernte sie an der Sommerschule des NFS Klima in Grindelwald Martin Grosjean kennen, den Leiter des Oeschger-Zentrums und Professor für Geographie an der Universität Bern. Rixt de Jong war fasziniert davon, mit welchen Ansprüchen an die Genauigkeit in Bern das Klima rekonstruiert wird. "In meiner Dissertation habe ich auf einer Zeitskala von 6000 Jahren gearbeitet, das fand ich mit der Zeit etwas frustrierend. Man braucht Proxydaten, weiss aber nicht wirklich, wie präzise sich die Klimavergangenheit damit darstellen lässt. Wenn man mit Abweichungen von hundert Jahren arbeitet, ist vieles unsicher. Ich aber wollte die Klimaprozesse hinter den Rekonstruktionsmethoden verstehen."
Mit einem EU-Stipendium in der Tasche stiess Rixt de Jong nach Abschluss ihrer Dissertation dann tatsächlich zu Grosjeans Gruppe für Paläolimnologie am Oeschger-Zentrum. Doch nach Bern gezogen, erzählt die Postdoc-Forscherin mit einem Schmunzeln, habe sie nicht nur die Aussicht auf neue wissenschaftliche Horizonte, sondern auch die Berge, von der man als begeisterte Skifahrerin und Kletterin in Holland nur träumen könne. Im Labor an der Erlachstrasse allerdings musste sich die 31-Jährige zuerst mit einer neuen Forschungsmethode vertraut machen – einmal mehr. "Es hat praktisch zwei Jahre gedauert, bis ich die Analysemethode mit Mikrofossilien von Dauerstadien der Goldalge als Klimaindikator beherrschte."
Berner Pionier in Chile
Dass Rixt de Jong mit ihrem Ambizione-Stipendium ausgerechnet in Chile forschen will, ist kein Zufall. Die Gruppe von Martin Grosjean gehört zu den Pionieren der Klimarekonstruktion in den südlichen Anden. Dadurch kann die Nachwuchsforscherin nicht nur von Kontakten vor Ort profitieren, sondern auch von früheren Forschungsarbeiten. So ambitioniert wie ihres war allerdings noch keines dieser Projekte. Um eine möglichst genaue Temperaturrekonstruktion zur erzielen, wird Rixt de Jong nicht nur Sedimentbohrkerne aus zwei oder drei besonders geeigneten Seen im Süden Chiles auswerten. Als erstes nämlich muss sie ihre Algen-Methode verfeinern. Um zu wissen, welche Rückschlüsse sich aus den fossilen Algen in den Seesedimenten ziehen lassen, will sie verstehen, wie temperatursensibel heutige Goldalgen-Dauerstadien sind. Dazu beabsichtigt die Forscherin, 40 bis 50 unterschiedlich hoch gelegene Seen – zwischen Meereshöhe und 2500 Meter über Meer – zu beproben. Sie setzt dazu sogenannte Sedimentfallen ein, deren Fracht sie auf unterschiedliche Algen hin untersucht – je nach Temperatur gedeihen andere Algen-Typen optimal.
Für die nächsten drei Jahre fehlt es Rixt de Jong also nicht an Herausforderungen unterschiedlichster Art – das Land ihrer ausgedehnten Feldforschung etwa, kennt sie bisher nur vom Hörensagen. Doch wie geht es dann weiter? Strebt die Postdoc-Forscherin eine akademische Karriere an? "Ja, das könnte ich mir gut vorstellen! Neben dem Forschen betreue ich auch gerne Studenten, und mir gefällt auch das Unterrichten, als Dozentin bewegt man sich in all diesen drei Gebieten." Allen hochfliegenden Plänen zum Trotz ist Rixt de Jong nicht bereit, alles einer Unilaufbahn unterzuordnen. "Für mehrerer Jahre aus Europa wegziehen", sagt sie lachend, "würde ich eher nicht."
(2010)
(Rixt de Jong hat das Oeschger-Zentrum 2014 verlassen)