Einer dieser mehr als ein Dutzend Punkte, die der Historiker identifiziert hat, ist die Hausecke des Gasthauses Krone, das sich direkt gegenüber der Basler Schifflände befand und über Jahrhunderte hinweg zur vergleichenden Beschreibung herangezogen wurde. So reichte das Hochwasser von 1506 "bis in das Gasthaus", jenes von 1664 "bis zur vorderen Tür", und zum Hochwasser von 1764 vermerkte ein Chronist, es habe "nicht ganz an die Hausecke des Kronengasthauses" herangereicht. Praktischerweise bezogen sich noch im 19. Jahrhundert Basler Lokaljournalisten bei ihren Hochwasserberichten auf Referenzpunkte wie das "Kroneneck". Dies zu einer Zeit, als die Pegelstände und Abflussmengen des Rheins längst mit Instrumenten gemessen wurden. Der parallele Gebrauch der beiden Aufzeichnungssysteme ermöglichte die Umwandlung der Schilderung in Zahlenwerte. Und so konnte Oliver Wetter schliesslich eine noch nie dagewesene, 743 Jahre lange Reihe rekonstruierter Hochwasserereignisse vorlegen.
Der Clou dabei: Dank dem Einsatz eines hydrologischen Modells liefert der Klimahistoriker auch quantitative Angaben zu den Wassermassen. Erstmals lassen sich nun Fluten aus vorinstrumenteller und instrumenteller Zeit direkt miteinander vergleichen. Dieses Forschungsergebnis ist nicht bloss von wissenschaftlichem Interesse. Versicherungen etwa, die ihre Prämien anhand von sogenannten Jahrhundertereignissen berechnen, sind brennend an möglichst langen Vergleichsperioden interessiert. Erst beim Blick über die Jahrhunderte zeigt sich, ob Hochwasserkatastrophen in denen vergangen Jahrzehnten tatsächlich häufiger geworden sind oder nicht. Ein Thema übrigens, das auch in der aktuellen Diskussion um die Sicherheit der Schweizer Atomkraftwerke von Bedeutung ist.
Oliver Wetter ist mit seinen Resultaten mehr als zufrieden: "Zuerst fand ich es einfach faszinierend, mit meiner Arbeit etwas zum besseren Verständnis des Klimawandels beitragen zu können. Heute bin ich nicht bloss fasziniert, sondern weiss, über welches Potenzial die historische Klimatologie verfügt. Wir stehen erst ganz am Anfang der möglichen Auswertungen."
(2011)