Das Oeschger-Zentrum hat sich international einen Namen als erstklassige Forschungsinstitution gemacht und zieht Wissenschaftler aus der ganzen Welt an. Zum Beispiel Kristy Barnes, die in Bern lernen will, wie sich mit Hilfe von Mückenfossilien das Klima der Vergangenheit rekonstruieren lässt.
Energisch ist sie und ausgesprochen optimistisch. Zwar hat die Amerikanerin Kristy Barnes eben erst das Bachelor-Studium abgeschlossen, doch während ihres Studienaufenthalts am Oeschger-Zentrum, das steht fest, will sie eine wissenschaftliche Publikation schreiben. „Stimmt, ich stehe erst am Anfang meiner Karriere“, sagt sie, „aber schliesslich mache ich hier ein Forschungsprojekt, und da wäre es doch schön, wenn dabei ein Artikel in einer Fachzeitschrift rausspringen würde.“
In ihrer zielstrebigen Art hat sich Kristy Barnes auch die OCCR-Gruppe für Aquatische Paläoökologie für ihr Auslandjahr ausgesucht. Nach dem Bachelor in Umweltgeowissenschaften am Boston College bewarb sie sich um einen Platz im Fulbright Program, einem der prestigeträchtigsten Stipendienprogramme weltweit. Ihr Vorhaben: Ein tiefer Blick in die Klima- und Umweltgeschichte mit Hilfe von fossilen Chironomiden (Zuckermücken) als Indikatoren für das klimatische Auf und Ab. Kristy wusste auch genau, bei welchem Könner sie das Arbeiten mit Mückenlarven als Klimaproxies erlernen wollte: Oliver Heiri, Assistenzprofessor am Institut für Pflanzenwissenschaften und Mitglied des Oeschger-Zentrums. „Er ist so ziemlich der Beste in seinem Feld“, sagt sie, „und darum wollte ich unbedingt nach Bern.“
Schliesslich fügte sich für Kristy Barnes das Eine zum Anderen: Ihr Wunschprofessor konnte tatsächlich Verstärkung in seiner Forschungsgruppe gebrauchen, sie erhielt den Zuschlag für das begehrte US-Stipendium, das für die Schweiz mit dem Bundes-Exzellenz-Stipendium verbunden ist. Und nun arbeitet die Amerikanerin seit einem halben Jahr in Bern. In einem Büro mit Blick auf den botanischen Garten sitzt sie hinter dem Mikroskop und analysiert Sedimentproben aus einem kleinen Walliser Bergsee, dem Gouillé Rion im Val d'Heremence. Die einzelnen Schichten dieses Sedimentkerns wurden bereits datiert. Die junge Gastforscherin untersucht, wie sich an Hand der unterschiedlichen Arten von Zuckermücken Klimaphänomene dokumentieren lassen, die plötzliche Erwärmung vor 11'000 Jahren etwa oder der Kälterückfall vor 8'200 Jahren. Der Trick dabei: Da im sich verändernden Klima immer andere Chironomiden auf optimale Bedingungen trafen, lässt sich anhand ihrer Häufigkeit die Temperatur rekonstruieren.
Aber auch den menschlichen Einfluss auf die Umwelt in den Walliser Bergen will Kristy Barnes anhand der Minifossilien nachweisen. Denn die Zuckmücken reagieren nicht nur äusserst sensibel auf Temperaturschwankungen, sondern auch auf menschgemachte Phänomene wie beispielsweise einen erhöhten Nährstoffeintrag ins Seewasser.
Ihre berufliche Zukunft sieht Kristy schon klar vor sich. Nach Abschluss ihres Gastjahres wird sie an die Vanderbilt University in Nashville im US-Bundesstaat Tennessee ziehen, wo sie ins Masterprogramm Modern Ecology aufgenommen wurde. („Ich will herausfinden, ob ich nur per Zufall in der Paläoökologie gelandet bin.“) Und danach soll es auf geradem Weg auf der akademischen Karriereleiter weitergehen bis zu einer Professur in den USA oder in Grossbritanien. Ist das alles nicht noch gar etwas weit weg für eine 23-Jährige? „Ich bin auf Kurs – mit dem Fulbright-Stipendium und meiner übrigen internationalen Erfahrung -, da mache ich mir keine Sorgen.“
(2016)