Klimainformationen aus der letzten Warmzeit
Nun soll ein neuer methodischer Ansatz Klarheit schaffen. Jörg Lippold arbeitet vorwiegend mit Protactinium (231Pa) und Thorium (230Th). Das Konzentrationsverhältnis der beiden Isotope liefert Informationen über die Stärke der Strömung, denn sie verhalten sich im Ozean höchst unterschiedlich: „Das Thorium fällt quasi wie ein Stein zu Boden, Protactinium hingegen sinkt langsam und wird verdriftet.“ So gut sich das 231Pa/230Th Verhältnis als Indikator für die Stärke von Meeresströmungen eignet, das Element Protactinium hat einen Nachteil. Es gibt davon kein stabiles Isotop. Und das bedeutet: In Sedimentproben, die älter als 140'000 Jahre sind, lässt es sich nicht mehr nachweisen, denn dann sind die Atomkerne radioaktiv zerfallen. „Unsere Methode stösst an zeitliche Grenzen“, räumt Jörg Lippold ein, „doch 140'000 Jahre entspricht praktischerweise dem Zeitraum bis zur letzten Warmzeit, und die ist mit Blick auf die aktuelle globale Erwärmung besonders interessant.“
Doch was genau haben die unterschiedlich starken Strömungen im Ozean mit dem Klimawandel zu tun? „Das ergibt sich relativ deutlich“, sagt Jörg Lippold, greift zu Papier und Stift und skizziert eine Grafik. Sie zeigt zwei Kurven: die vergangen Wassertemperaturen und die Stärke der atlantischen Umwälzströmung, englisch AMOC (Atlantic Meridional Overturning Circulation). „Gemäss unseren Ergebnissen folgt die AMOC der Temperaturkurve ziemlich gut. Das ist ein wichtiger Hinweis darauf, dass die beiden Dinge miteinander gekoppelt sind.“ Will heissen: War die Strömung in der Vergangenheit stark, war auch das Wasser im Nordatlantik jeweils wärmer. Doch ein wichtiger Punkt bleibt ungeklärt: Hat sich zuerst die Temperatur verändert und dann die Strömung, oder war es genau umgekehrt? „Genau das ist eben die offene Forschungsfrage“, meint Jörg Lippold.
Ozeanzirkulation im Atlantik war stabiler als erwartet
Noch ist Lippolds von der EU gefördertes* Projekt OCEANQUANT (Quantification of Past Ocean Circulation) nicht abgeschlossen, doch Ergebnisse daraus sind bereits in eine „Nature“-Studie eingeflossen. Deren zentrale Aussage: die Ozeanzirkulation im Atlantik war in der Vergangenheit stabiler war als bisher angenommen. Nur während kurzer Extremphasen der letzten Eiszeiten war sie schwächer als heute, in welchen sich bereits sehr grosse Eisschilde gebildet hatten, die weit in den Süden reichten. Während der relativ kurzen Schmelzphasen der letzten Eiszeit ergossen sich grosse Mengen Süsswasser in den Nordatlantik. Da diese riesigen eizeitlichen Eisschilde nicht mehr existieren, sei die Ozeanzirkulation heute wohl stabiler als bisher angenommen. „Es ist unwahrscheinlich“, sagt Jörg Lippold, „dass die Zirkulation durch verstärktes Abtauen von Grönlandeis im Zuge des Klimawandels zusammenbricht und es zum Temperatursturz kommt.“