Vielversprechende Bohrexpedition auf dem Towuti See

Der Geologe Hendrik Vogel arbeitet mit Sedimentkernen. Sie stammen aus Seen aus der halben Welt und liefern Umweltinformationen bis weit zurück in die Klimageschichte. Seit neustem gehört er zum Leitungsteam eines internationalen Tiefbohrprojekts auf Sulawesi.

Ein See in den Tropen, eine einfache Holzhütte auf einem Boot und jede Menge Expeditionsmaterial: Das Foto, das der Geologe Hendrik Vogel für den Besucher hervorsucht, zeigt Feldarbeit, wie man sie sich romantischer nicht vorstellen könnte. Genau von solchen Einsätzen mögen manch junge Forscher träumen.

Auch dem Postdoc in der Gruppe für Quartärgeologie und Paleoklimatologie des Oeschger-Zentrums hat es die Arbeit im Feld angetan. "Mir gefällt die Abwechslung in meinem Job. Einmal ist man draussen im Feld, und dann arbeitet man im Labor mit analytischen Verfahren." Doch den grössten Teil seiner Arbeitstage verbringt Hendrik Vogel vor dem Computer im Büro. "Das lohnt sich", meint er lachend, "für die übrigen 20 Prozent."

Hendrik Vogel, der in Leipzig studiert hat, mag das Abenteuer – aber nicht als Dauerzustand. Eigentlich sah er sich mal als Geologe, der im Auftrag von grossen Bergbauunternehmen nach Rohstoffen sucht. Und deshalb spezialisierte er sich an der Universität von Stellenbosch in Südafrika auf Lagerstättengeologie. Doch dann wurde ihm klar, dass er sich ein Berufsleben an den abgelegensten Orten der Welt nicht wirklich vorstellen konnte.

Zurück in Deutschland und später in Schweden begann er sich für die Arbeit mit Seesedimenten als Klimaarchive zu begeistern. "Als Geologe wollte ich Sedimentationsprozesse besser verstehen. Mich interessiert, woher die Sedimente stammen, wie ihr Eintrag erfolgte, wie sich die Verwitterung des Gesteins und die chemischen Prozesse nach der Ablagerung auf die Sedimentzusammensetzung auswirkte."

Überraschungen aus dem Bohrrohr

In der Folge schrieb Vogel eine Masterarbeit an der Universität von Umeå in Schweden über schnelle und kostengünstige Möglichkeiten zur geochemischen Analyse von Seesedimentkernen. Später verfasste er an der Universität Köln eine Dissertation über neue methodische Ansätze bei der Analyse von Bohrkernen und befasse sich dabei auch mit der Klima- und Umweltgeschichte im nördlichen Mittelemeerraum. Das wissenschaftliche Interesse des jungen Geologen am Potenzial von Seesedimenten in der Klimaforschung ist also ungebrochen. "Mich interessiert, wie sich ein Klimasignal im See niederschlägt", erzählt Hendrik Vogel und betont: "Jeder See ist anders, und man kann nicht überall mit denselben Parametern arbeiten, denn zuerst muss man versuchen, den See als System verstehen." Kommt dazu, dass der Geologe nie genau weiss, welche Überraschungen eine Bohrung an den Tag bringt. "Das ist wie beim Öffnen eines Geschenks."

Wissenschaftliche Geschenke geöffnet hat Hendrik Vogel unter anderem in Schweden, in der Antarktis, in Mazedonien und Albanien sowie in Sibirien und Indonesien. Hier auf dem Towuti See auf Sulawesi plant er zur Zeit seine bisher wichtigste Feldkampagne. Eine Probebohrung 2010, an die das Foto mit dem improvisierten Expeditionsschiff erinnert, stellte das Potenzial des Sees als Klimaarchiv unter Beweis – und zwar in einem für das Klimasystem sehr wichtigen geographischen Gebiet. Der Towuti See liegt im Zentrum des sogenannten indopazifischen Wärmebeckens, das sich durch aussergewöhnlich hohe Oberflächentemperaturen des Ozeans auszeichnet. Über dieser Wärmezone befindet sich die grösste Konvektionszelle des Planeten, einer der Motoren der atmosphärischen Zirkulation. "Wenn sich hier etwas ändert", so Hendrik Vogel, "hat das auch globale Auswirkungen."

Spuren auf dem Seegrund

Ziel der für 2015 geplanten Bohrung ist es, Bohrkerne zu gewinnen, die durch die 250 Meter mächtige Sedimentschicht des Sees bis auf den Felsuntergrund reichen. Die Analyse dieses Materials soll vorrangig Informationen über die Klimageschichte der vergangenen 600'000 Jahrein in hoher zeitlicher Auflösung liefern. Im Vordergrund stehen dabei die Hydrologie und die Veränderung der Niederschläge im Lauf der Zeit. Sie haben auf dem Seeboden ihre Spuren hinterlassen, denn je nachdem wie intensiv und wie viel es geregnet hat, wurden unterschiedliche Elemente wie Titan, Aluminium als Bestandteil von Tonmineralen aus dem Einzugsgebiet des Sees eingeschwemmt. Und die kann Hendrik Vogel in seinem Berner Labor mit Hilfe eines Röntgenfluorreszenzscanners millimetergenau in den Sedimentenschichten nachweisen.

Eine Herausforderung allerdings bleibt bestehen: Wie lassen sich die unterschiedlichen Einträge datieren? Hendrik Vogel und seine Kollegen hoffen dabei, neben etablierten Datierungsmethoden wie der Paläomagnetik, auch ein Bisschen auf den Zufall. Sehr hilfreich wäre nämlich, wenn sich in den Sedimentschichten, zusätzlich zu den bisher gefundenen, noch weitere datierbare Aschelagen von bekannten Vulkanausbrüchen finden liessen.

Internationales Forschungskonsortium

Die Bohrung auf dem Towuti See ist ein Grossprojekt, an dem rund 40 Forscher aus sieben Nationen beteiligt sind. Grund für dieses weitgeknüpfte Konsortium sind nicht zuletzt die Kosten. Das Projektbudget beträgt über zwei Millionen Dollar. Ins Geld geht unter anderem die Arbeit des Bohrunternehmens, das mit schwerem Gerät von einer schwimmenden Plattform aus operieren wird.

Hendrik Vogel spielt eine zentrale Rolle innerhalb des Towuti-Projekts, das unter dem Schirm des International Continental Scientific Drilling Programs durchgeführt werden soll. Er ist einer von drei Koordinatoren und wird als wissenschaftlicher Verantwortlicher die rund drei Monate dauernde Bohrung vor Ort begleiten. "Das ist das erste Projekt, bei dem ich soviel Verantwortung trage. Auf einmal muss ich mir über Dinge Gedanken machen, die nicht mehr viel mit Wissenschaft zu tun haben."

Diese neuen Aufgaben mögen zwar viel Knochenarbeit mit sich bringen, doch sie ist ein untrügliches Zeichen dafür, welches Renommee sich der erst 34-jährige Berner Geologe in der Forschungscomunity erworben hat.

(2013)