Überraschungen aus dem Bohrrohr
In der Folge schrieb Vogel eine Masterarbeit an der Universität von Umeå in Schweden über schnelle und kostengünstige Möglichkeiten zur geochemischen Analyse von Seesedimentkernen. Später verfasste er an der Universität Köln eine Dissertation über neue methodische Ansätze bei der Analyse von Bohrkernen und befasse sich dabei auch mit der Klima- und Umweltgeschichte im nördlichen Mittelemeerraum. Das wissenschaftliche Interesse des jungen Geologen am Potenzial von Seesedimenten in der Klimaforschung ist also ungebrochen. "Mich interessiert, wie sich ein Klimasignal im See niederschlägt", erzählt Hendrik Vogel und betont: "Jeder See ist anders, und man kann nicht überall mit denselben Parametern arbeiten, denn zuerst muss man versuchen, den See als System verstehen." Kommt dazu, dass der Geologe nie genau weiss, welche Überraschungen eine Bohrung an den Tag bringt. "Das ist wie beim Öffnen eines Geschenks."
Wissenschaftliche Geschenke geöffnet hat Hendrik Vogel unter anderem in Schweden, in der Antarktis, in Mazedonien und Albanien sowie in Sibirien und Indonesien. Hier auf dem Towuti See auf Sulawesi plant er zur Zeit seine bisher wichtigste Feldkampagne. Eine Probebohrung 2010, an die das Foto mit dem improvisierten Expeditionsschiff erinnert, stellte das Potenzial des Sees als Klimaarchiv unter Beweis – und zwar in einem für das Klimasystem sehr wichtigen geographischen Gebiet. Der Towuti See liegt im Zentrum des sogenannten indopazifischen Wärmebeckens, das sich durch aussergewöhnlich hohe Oberflächentemperaturen des Ozeans auszeichnet. Über dieser Wärmezone befindet sich die grösste Konvektionszelle des Planeten, einer der Motoren der atmosphärischen Zirkulation. "Wenn sich hier etwas ändert", so Hendrik Vogel, "hat das auch globale Auswirkungen."
Spuren auf dem Seegrund
Ziel der für 2015 geplanten Bohrung ist es, Bohrkerne zu gewinnen, die durch die 250 Meter mächtige Sedimentschicht des Sees bis auf den Felsuntergrund reichen. Die Analyse dieses Materials soll vorrangig Informationen über die Klimageschichte der vergangenen 600'000 Jahrein in hoher zeitlicher Auflösung liefern. Im Vordergrund stehen dabei die Hydrologie und die Veränderung der Niederschläge im Lauf der Zeit. Sie haben auf dem Seeboden ihre Spuren hinterlassen, denn je nachdem wie intensiv und wie viel es geregnet hat, wurden unterschiedliche Elemente wie Titan, Aluminium als Bestandteil von Tonmineralen aus dem Einzugsgebiet des Sees eingeschwemmt. Und die kann Hendrik Vogel in seinem Berner Labor mit Hilfe eines Röntgenfluorreszenzscanners millimetergenau in den Sedimentenschichten nachweisen.
Eine Herausforderung allerdings bleibt bestehen: Wie lassen sich die unterschiedlichen Einträge datieren? Hendrik Vogel und seine Kollegen hoffen dabei, neben etablierten Datierungsmethoden wie der Paläomagnetik, auch ein Bisschen auf den Zufall. Sehr hilfreich wäre nämlich, wenn sich in den Sedimentschichten, zusätzlich zu den bisher gefundenen, noch weitere datierbare Aschelagen von bekannten Vulkanausbrüchen finden liessen.