Eine Karriere in der Wirtschaft hat Eric Strobl nie in Betracht gezogen. «Was mich interessierte, war immer die Forschung. Ich habe das auch nie als richtige Arbeit gesehen. Das kam ganz natürlich – ich wollte einfach immer weiterforschen.» Doch dazu war die Karibik der falsche Ort. 1999 gab es auf dem Campus in St. Augustine nicht einmal Internet. Deshalb kam Strobl mit einem Marie Curie Stipendium versehen zurück nach Europa. An der Université catholique von Louvain in Belgien konnte er zum ersten Mal wählen, was genau er tun wollte. Und nach seinem Aha-Erlebnis mit dem Bilderbuch verfasste er erste Publikationen zu den wirtschaftlichen Folgen des Klimawandels.
Bern ist offen für interdisziplinäre Zusammenarbeit
Nun ist Strobl nach Abstechern als Lehrbeauftragter und ausserordentlicher Professor an verschiedenen französischen Hochschulen an der Universität Bern gelandet, wo er seit Anfang Oktober die neugeschaffene Stiftungsprofessur für Klima- und Umweltökonomik besetzt. Eine Stelle, auf der eng mit dem OCCR zusammenarbeiten wird. Sein Interesse an Bern geweckt, so erklärt er, habe «die grosse Offenheit» in der Zusammenarbeit über die Fachgrenzen hinweg: «Die meisten interdisziplinären Institutionen funktionieren nicht sehr gut. Am Oeschger-Zentrum hingegen spricht man nicht nur von Interdisziplinarität, und man verfolgt meiner Meinung nach die genau richtigen Visionen.»
Interdisziplinäres Arbeiten bedeutet für Strobl zum Beispiel bei seinen Modellierungen ökonomische mit naturwissenschaftlichen Daten zu kombinieren. Aufwändig sei das, sagt er, und man käme nicht darum herum, sich in die fremde Materie reinzuknien. Eine Anstrengung, die manche seiner Kollegen scheuten. «Ich werfe den Ökonomen deshalb auch vor, häufig mit allzu vereinfachten Klimadaten zu arbeiten.»
Der frischgewählte Berner Professor hingegen geht bei der Datenerhebung manchmal weite Umwege. So stützt er sich, um die Wirtschaftskraft einer Region abzuschätzen, auf Nachtaufnahmen von Satelliten ab. Die Konzentration von Lichtern steht dabei stellvertretend für ökonomischen Aktivitäten. Zum Einsatz kommt diese Methode bei einem von Strobls aktuellen Forschungsschwerpunkten. Er untersucht die regionalen Auswirkungen von Naturkatastrophen, die innerhalb eines Landes sehr unterschiedlich ausfallen können. Ein weiterer Schwerpunkt seiner Arbeit liegt bei länderübergreifenden Versicherungssystemen gegen Naturrisiken. Er will Fragen beantworten wie: Wo liegen die Vorteile solcher Systeme? Wie berechnet man die Prämien? Oder: Wie lassen sich diese Systeme modellieren?
Forschung, die etwas bewegt
Eric Strobl ist überzeugt davon, dass der interdisziplinären Forschung, so wie sie das Oeschger-Zentrum fördert, die Zukunft gehört. In den USA zeichne sich dies bereits ab, dort seien beispielsweise bei Versicherungen zunehmend Mitarbeitende gefragt, die sowohl über einen ökonomischen, statistischen wie naturwissenschaftlichen Hintergrund verfügten.
Lange war interdisziplinäres Forschen dem akademischen Fortkommen nicht eben förderlich. Sind diese Zeiten vorbei? Eher nicht. «Mir haben meine breiten Interessen tatsächlich geschadet», sagt Eric Strobl. «An der Ecole Polytechnique in Frankreich, wo ich Assistenzprofessor war, sagte man mir, ich solle interdisziplinäre Arbeiten doch besser als Hobby betreiben, das schade sonst meiner Karriere.» Der Klimaökonom nahm sich den Ratschlag offensichtlich nicht zu Herzen und ging seinen eigenen Weg. «Mir ist es wichtig, Dinge zu tun, die mich interessieren und die eine Dringlichkeit haben.»
(Dezember 2017)