Vegetationsmodell als Zeitmaschine
Christoph Schwörer will jedoch nicht bloss herausfinden, wie sich die Zusammensetzung und Verbreitung der Pflanzenarten im der Vergangenheit verändert hat. Ihn interessiert vor allem die Zukunft. Dazu benutzt er ein an der ETH Zürich entwickeltes Vegetationsmodell, das er mit rekonstruierten Daten aus der Vergangenheit füttert. „Das Modell dient uns als eine Art Zeitmaschine“, erklärt er, „wenn es in der Lage ist, die Auswirkungen der Temperaturschwankungen über die letzten 12'000 Jahren aufzuzeigen, können wir damit auch die künftigen Folgen des Klimawandels auf die Vegetation abbilden.“
Der Berner Forscher ist mit dem sogenannten LandClim Modell bestens vertraut. Er hat damit unter anderem während seines zweijährigen Aufenthalts an der University of Oregon in Eugene gearbeitet, wo er SNF Early Mobility Postdoc war. An seiner zweiten Postdoc-Stelle am Oeschger-Zentrum, erstellt er zur Zeit mit Hilfe von Modellsimulationen einen sehr lokalen, dafür aber umso präziseren Blick in die Vegetationszukunft. In einer seiner Studien beispielsweise simulierte er die Veränderung der Artenzusammensetzung und der Baumgrenze rund um den Iffigsee bis ins Jahr 2500. Dies in einem Radius von 5 Kilometern und praktisch Baum für Baum. Das vereinfachte Fazit dieser Simulation: Die Waldgrenze steigt erheblich, und Buchen machen sich auf Kosten der Fichten breit. Wiesen und Weiden hingegen wird es auf der alpinen Stufe immer weniger geben, denn etliche Pflanzen, so Schwörer, erhielten ein Problem. Sie sollten in die Höhe ausweichen, können dort aber nicht überleben. Der Grund: Der Temperaturanstieg verläuft viel zu schnell, als dass sich auf dem felsigen Untergrund Humus bilden könnte.
Christoph Schwörer strebt eine akademische Karriere an. In einem nächsten Schritt auf diesem anspruchsvollen Weg bewirbt er sich deshalb beim Schweizerischen Nationalfonds für ein Ambizione Projekt. In diesem Forschungsvorhaben will er Informationen aus alpinen Sedimentkernen in bisher unerreichter Gründlichkeit untersuchen. Da es am Grund der Seen nicht wärmer als 4 Grad wird, bleibt die DNA in den Pflanzenresten erhalten, und die will der Forscher nun analysieren. „Auf Grund klimatischer Veränderungen seit dem Ende der letzten Eiszeit sind die Pflanzen gezwungen, ihre Verbreitungsgebiete zu ändern. Ich möchte herausfinden, was in solchen Momenten mit der genetischen Vielfalt geschieht.“
(Dezember 2016)