Auf dieses Forschungsgebiet hatte sie in einem Förderantrag an den Schweizerischen Nationalfonds (SNF) gesetzt. Ihre Überlegung: Obwohl das Thema von hoher gesellschaftlicher Relevanz ist, wird es erst von wenigen Forschenden bearbeitet. Da winkt gewissermassen ein Alleinstellungsmerkmal. Ein nicht zu unterschätzendes Plus im hart umkämpften akademischen Jobmarkt. Laufkötters Leistungsausweis und ihr Thema überzeugten: 2018 erhielt sie vom SNF ein begehrtes Ambizione-Stipendium. Es läuft über vier Jahre und erlaubt den Aufbau einer eigenen kleinen Forschungsgruppe.
Viel Freiheit, wenig Sicherheit
Wer nun denkt, Charlotte Laufkötter befasse sich bloss aus Kalkül mit Plastikmüll, der irrt. «Ich würde mich nicht mit Themen beschäftigen», sagt sie, «die mich persönlich nicht interessieren und die mir nicht relevant erscheinen.» Die wissenschaftliche Freiheit sieht die ehrgeizige Forscherin auch als eine Art Kompensation. «Im jetzigen Stadium ist meine Karriere sehr unsicher und verlangt viele Opfer – das muss ja irgendwie aufgewogen werden!»
Längst plant die Modelliererin den nächsten Schritt auf dem Weg, der einmal zu einer festen Stelle als Professorin führen soll – wenn alles gut geht. Sie hat sich beim Europäische Forschungsrat ERC beworben, der EU-Institution zur Förderung herausragender Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler. Und beim Programm Eccellenza des SNF, das Förderprofessuren finanziert. Die beiden Proposals drehen sich um den biologischer Kohlenstoffzyklus im Ozean. Ganz kurzgefasst möchte Charlotte Laufkötter den Transport von organischem Material, insbesondere Kohlenstoff, in den tiefen Ozean besser verstehen. Dazu will sie Daten aus dem mobilen Beobachtungssystem der Weltmeere Argo nutzen. Es besteht aus einer Flotte von rund 4000 automatisierten Treibbojen (floats), mit denen Temperatur, Salzgehalt und Strömungen gemessen werden. Zunehmend werden auch chemische und biologische Komponenten beobachtet. Diesen Teil der sogenannten Argo-float-Daten will Laufkötter für ihre Grundlagenforschung mit Modellen kombinieren.
Zurück zum Kind, das sich das Meer vorstellte. Die träumerische Begeisterung von damals ist einer sehr konkreten Leidenschaft gewichen. «Was mich am Ozean so fasziniert: Es ist alles dreidimensional und wird zusätzlich durch die Strömung beeinflusst. Da muss man immer den Kontext mitdenken.» Komplex, so mag es Charlotte Laufkötter, nicht einfach. Was sie interessiert, sind nicht die Details, sondern das grosse Ganze.
(August 2021)