Mit 25 Jahren hat die Klimawissenschaftlerin Anna Kulakovskaya bereits einen beachtlichen Ausbildungsparcours hinter sich. Aufgewachsen und das Gymnasium besucht hat sie im estländischen Tallinn. Danach zog sie nach Moskau und studierte an der National Research University Higher School of Economics (HSE), einer der führenden Universitäten Russlands, internationale Beziehungen. Sie schloss ihren Bachelor mit einem Schwerpunkt Umweltökonomie und Politik ab. Für die Fortsetzung ihrer akademischen Ausbildung wählte sie Bern, wo sie 2018 ihren Master Klimawissenschaften summa cum laude abschloss.
Dafür, dass es die Moskauer Studentin für das Masterstudium ausgerechnet nach Bern verschlagen hat, gibt es zwei Gründe. «Ich fand, es wäre gut, als Umweltökonomin auch in den Naturwissenschaften besser Bescheid zu wissen – der Glaubwürdigkeit wegen. Da hat sich der multidisziplinär ausgerichtete Berner Klimamaster geradezu aufgedrängt.» Als Studienort überhaupt in Betracht gezogen hat die junge Estin Bern, weil sie hier bereits während ihres Bachelorstudium ein Auslandsemester verbracht hatte. Der Grund: Die HSE, ihre Moskauer Universität, hat mit der Universität Bern ein Austauschabkommen abgeschlossen, und Anna Kulakovskaya interessierte sich für das Berner Veranstaltungsangebot zum Klimawandel – und wollte neben Russisch, Englisch und Estnisch auch noch Deutsch lernen.
An der Graduate School of Climate Sciences wurde die wissbegierige Anna Kulakovskaya nicht enttäuscht. Sie schätzte das breite Vorlesungsangebot und schwärmt von den «ausgezeichneten Studienbedingungen». Besonders beeindruckt war sie von der Haltung der Professoren und Professorinnen ihren Studierenden gegenüber: «Ich fühlte mich wirklich ernst genommen.» Das Studium in der Schweiz habe sie sich übrigens nur dank eines Stipendiums der Universität Bern leisten können.
Höhere Energieeffizienz kann dem Klima schaden
In ihrer Masterarbeit befasste sich die Klimawissenschaftlerin mit der Beziehung zwischen Treibhausgasemissionen und der Effektivität von klimafreundlichen Technologien. Sie entwickelte dazu ein einfaches spieltheoretisches Modell und erzielte damit zwei Erkenntnisse. Erstens: Klimafreundliche Technologien führen nicht in jedem Fall zur Reduktion von Treibhausgasen. Entscheiden ist der Typ der Technologien. Positiv fürs Klima wirken sich bessere kohlenstoffarme und emissionsmindernde Technologien aus. Höhere Energieeffizienz und bessere Anpassungstechnologien hingegen haben ungewollte Effekte und führen nicht zu einer Reduktion, sondern im Gegenteil gar zu höheren Emissionen. Zweitens zeigte sie, dass sogenannte strategische Interaktion zwischen den Ländern die Anreize schmälert, in kohlenstossarme und emissionsmindernde Technologien zu investieren. Die Interaktion setzt Anreize für Investitionen in Energieeffizienz und bessere Anpassungstechnologien.
Inzwischen ist die polyglotte Estin von Bern nach Zürich umgezogen und befasst sich im Rahmen eines Praktikums bei der SwissRe mit der Frage, welche Bedürfnisse die Konsumenten im Bereich der Naturgefahren haben. «Ich befinde mich in einer Phase meines Lebens, in der ich verschiedene Arbeitswelten kennenlernen will», erklärt sie. Etwas hat sie bereits herausgefunden: «Schon nach ein paar Monaten vermisse ich die Uni und denke ernsthaft darüber nach, eine Dissertation zu schreiben.» Gut möglich also, dass die vielversprechende Karriere der jungen Klimaforscherin noch über zahlreiche weitere Ausbildungsstationen führen wird.
(Februar 2019)