Ist das eine Folge des Klimawandels?
Ja, das ist unbestritten. Wir haben es mit längeren und extremeren Hitzephasen zu tun, die auch mit Trockenheit verbunden sind. Kommen zu dieser Kombination noch starke Winde hinzu, dann wird es ganz schlimm. Am allerschlimmsten ist, wenn das Feuer selbst diese Winde entfacht. Dann entstehen die sogenannten Fire Tornados, die sind auch im Mittelmeerraum berüchtigt. Ein Quadratkilometer grosses Feuer kann ein eigenes Windsystem generieren. Da entsteht eine ungeheure Thermik. Und dann finden wir uns in einer negativen Spirale wieder aus trockenem und heissem Wetter, Feuer und Feuerstürmen, die brennende Teilchen kilometerweit transportieren.
Sie untersuchen in Ihren Forschungsprojekten vergangene Waldbrände in Europa. Sind die gegenwärtigen Feuer auch aus historischer Perspektive aussergewöhnlich?
Unter den Jägern und Sammlern waren Feuer ein unbedeutendes Phänomen, aber sobald die Menschen damit begannen, eine Produktionswirtschaft aufzubauen, hat sich das verändert. In den Seesedimenten, in denen wir Holzkohleteilchen bestimmen, zeigt sich ganz klar, dass die Feuer in dem Moment zunahmen, als der Mensch daran interessiert war, etwas zu produzieren. Man kann sich fragen, weshalb das so ist. Der Mensch verfügte ja schon viel früher über Feuer – etwa seit einer halben Million Jahre, schon der Homo erectus kannte das Feuer, das ist keine Errungenschaft von uns modernen Menschen. Die Zunahme der Feuer, die wir sehen, hat damit zu tun, dass die frühen Bauern ihre Produktionssysteme im Wald errichten...
...Sie sprechen von Brandrodung.
Genau. Das sehen wir überall in Europa. Die Menschen versuchen mit Hilfe von Feuer günstige Bedingungen für Kulturpflanzen zu schaffen, die aus dem Nahen Osten stammen und die viel Licht und trockene Verhältnisse brauchen. Dazu müssen sie offenes Land schaffen. Dieses Vorgehen wiederholt sich immer wieder, denn die Natur hat die Tendenz, die durch Brandrodung geschaffenen Wunden zu schliessen. Will man diesen Prozess unterbrechen, muss man wieder mit Feuer roden. Durch das Aufkommen der Produktionswirtschaft gab es immer mehr Feuer im System. Das fängt in der Jungsteinzeit an, nimmt in der Bronzezeit, als die Leute sesshaft werden, zu und gipfelt schliesslich in der Eisenzeit. Da gibt es mancherorts in Europa richtige Feuerwirtschaften. In der Lüneburger Heide und in vielen anderen Gebieten Westeuropas wurde das wertvolle Heidekraut dadurch erhalten, dass man es jedes Jahr ein wenig abbrannte. Da hat der Mensch nach der Rodung eine richtige Feuervegetation installiert.
Welche Rolle spielt die klimatische Entwicklung in dieser Feuergeschichte Europas?
Wir versuchen im Oeschger-Zentrum, die klimatischen Veränderungen mit jenen der Vegetationsgeschichte zu verbinden. Es gibt im Frühholozän vor rund 10'000 - 8'000 Jahren eine Phase, da war es im Mittelmeerraum relativ trocken und heiss. Das hatte nichts mit dem Treibhauseffekt zu tun wie heute, sondern mit den Orbitalparametern, die dazu führten, dass die Sonneneinstrahlung im Sommer sehr stark war. In dieser Periode zeigen unsere Untersuchungen in Sizilien und Sardinien, dass es noch mehr brannte als heute mit dem menschlichen Einfluss. Das ist besorgniserregend. Wir wissen aus unseren Studien, dass damals Arten häufiger waren, die sich ans Feuer angepasst hatten. Perfiderweise brennen diese Arten teilweise selbst sehr gut, da sie viel ätherische Öle enthalten...
...wie der Eukalypthus, der in Australien lodert.
Genau, neben dem Feuerwetter spielt in Australien auch das sogenannte Brandgut eine grosse Rolle. Eukalyptus verfügt über soviel ätherische Öle, dass er fast explosionsartig brennt. Dass führt zu den Feuerspiralen, von denen ich gesprochen haben. Im Mittelmeerraum sind es dann Arten wie Zistrose, Salbei oder Rosmarin, die so schnell brennen – all die Pflanzen, die wir so schätzen, weil sie gut riechen.