Mehr Treibhausgase aus dem Meer

Das südliche Eismeer rund um die Antarktis spielt eine wichtige Rolle fürs Weltklima. Je nachdem nimmt es Kohlendioxid (CO2) aus der Atmosphäre auf oder gibt davon ab. Doch wie verhält sich dieser Puffer in Zukunft: Wirkt der Südliche Ozean künftig als Treibhausgassenke oder als –quelle? Am Oeschger-Zentrum gehen gleich mehrere Teams dieser grossen offenen Frage der Klimaforschung nach.

 

Wenn es im südlichen Eismeer wärmer wird, schmelzen die Eisberge und aus dem Ozean wir mehr CO2 freigesetzt. (Bild: Erik Galbraith)

Die Weltmeere nehmen gewaltige Mengen an CO2 auf – der Ozean speichert in seinen Tiefen rund 50 Mal mehr davon als die Atmosphäre. Und das Meer hat 30 Prozent des bisher menschgemachten CO2 absorbiert. Eine entscheidende Rolle beim Austausch zwischen Tiefsee und Atmosphäre spielt der Südliche Ozean. Er wirkt wie ein Ventil für CO2 zwischen Wasser und Luft oder ein offenes Fenster. Schon länger geht die Forschung davon aus, dass Änderungen im marinen Kohlenstoffzyklus eine entscheidende Rolle für das Auf und Ab des atmosphärischen CO2 spielten - und damit für die natürlichen Klimaschwankungen der letzten Millionen Jahre.

In einem soeben in der Fachzeitschrift „Nature“ erschienenen Beitrag weist der Berner Geologe Samuel Jaccard erstmals nach, dass während der klimatischen Kaltphasen tatsächlich sehr viel CO2 im Südlichen Ozean gebunden war und dass es von dort während den Warmphasen wieder freigesetzt wurde. Mit Hilfe von Tiefseebohrkernen haben Jaccard und seine Kollegen die sich wandelnden CO2-Konzentrationen über die vergangenen 80'000 Jahre rekonstruiert. „Wir können zeigen, durch welche Prozesse und wie schnell der Austausch von CO2 zwischen dem Tiefenozean und der Atmosphäre vor sich gegangen ist“, sagt Jaccard. Ein zweites wichtiges Ergebnis seiner Studie: Die Kommunikation zwischen den Tiefen des Südlichen Ozeans und der Atmosphäre hängt von der Produktion von sogenanntem Tiefenwasser im Nordatlantik ab. Strömt weniger Tiefenwasser aus dem Nordatlantik ein, steigt die Temperatur im Südlichen Ozean. Das verstärkt den Austausch im „polaren Fenster“, und es gelangt mehr CO2 vom Meer in die Atmosphäre. „An Hand unserer Resultate können davon ausgehen, dass der Südliche Ozean künftig immer weniger als CO2-Senke wirkt“, sagt Samuel Jaccard. „Nicht weil er weniger CO2 aufnimmt, sondern weil er mehr davon ausgast.“

Das französisches Forschungsschiff Marion Dufresnde im Crozet Archipel im südlichen Eismeer. (Bild: A. Mazaud/CEA)

Verteilung von CO2 in Ozean und Atmosphäre

Die Rekonstruktion dieser Ausgasung aus den Tiefen des Ozeans stimmt gut mit den CO2-Konzentrationen in der Atmosphäre überein, wie sie im Oeschger-Zentrum an Hand von im arktischem Eis eingeschlossenen Luftblasen rekonstruiert wurden. Die Analyse von Eisbohrkernen hat nicht zuletzt zur Erkenntnis geführt, dass die Menge von Kohlenstoff im Gesamtsystem über lange Zeiträume konstant bleibt – was sich verändert, ist seine Verteilung zwischen Ozean und Atmosphäre.

Ein weiteres natürliches Klimaarchiv, das Forschende des Oeschger-Zentrums nutzen, um klimatische Prozesse besser zu verstehen, sind Seesedimente. So untersuchte die Geografin Krystyna Saunders Ablagerungen aus Seen der entlegenen Macquarie Insel im Südpazifik. Sie konnte an Hand von sich verändernden Salzkonzentrationen zeigen, wie sich die Richtung und Stärke der Meeresgischt und somit der südlichen Westwinde im Laufe der vergangenen 20’000 Jahre verändert hat. Daraus lassen sich Rückschlüsse auf Veränderungen im Windregime ziehen, die auftraten, als sich die südliche Hemisphäre beim Abklingen der letzten Eiszeit erwärmte. Die vorherrschenden Westwinde verschoben sich südwärts und beeinflussten dadurch die Richtung der Ozeanzirkulation.

Simulationen mit Berner 3D-Modell

Rekonstruktionen verschiedener Parameter der Klimavergangenheit tragen dazu bei herauszufinden, ob der Ozean künftig weiter als Treibhausgassenke wirkt, oder verstärkt zur CO2-Quelle wird. Entscheidend ist dies nicht zuletzt mit Blick auf die Treibhausgas-Emissionen, welche die Menschheit noch verursachen darf, um die im Abkommen von Paris beschlossenen Klimaziele zu erreichen. Eine vor kurzem am Oeschger-Zentrum entstandene Studie zeigt, wie dringlich Massnahmen zum Schutz des Klimas sind. Die noch verbleibenden Handlungsoptionen schwinden rasant: Pro Jahrzehnt Herauszögern gehen 0,5°C Klimaziel verloren.

Entnahme von Meeressedimenten im südlichen Eismeer. (Bild: A. Mazaud/CEA)

Diese Studie zum CO2-Budget haben die beiden Klimaphysiker Patrik Pfister und Thomas Stocker mit einem in Bern entwickelten Klimamodell erarbeitet. Denn die unterschiedlichen Forschungsgruppen des Oeschger-Zentrums analysieren zum besseren Verständnis des CO2-Kreislaufes nicht nur Klimaarchive, sie setzen dazu auch Computermodelle ein. Mit dem sogenannten Berner 3D-Modell etwa lässt sich die Klimageschichte durchgehend über die letzten 100'000 Jahren simulieren. „Wenn ein Modell die Vergangenheit nachvollziehen kann“, betont Fortunat Joos, Spezialist für den Kohlenstoffkreislauf, „wächst das Vertrauen in die Zukunfts-Projektionen, die wir damit berechnen.“

Modellsimulationen tragen immer auch zu einem besseren Verständnis der Prozesse im Klimasystem bei. Sie sollen zum Beispiel Antworten auf die Frage liefern, was den Mechanismus antreibt, der zu einer Verschiebung des CO2-Anteils zwischen Ozean und Atmosphäre führt. Noch werden die auslösenden Faktoren für diese Veränderung in der Forschungscommunity heiss diskutiert. Genauso wie die Frage, ob das südlichen Eismeer auch künftig fossiles CO2 aus der Atmosphäre aufnehmen wird. „Einiges deutet darauf hin, dass sich die Senkenleistung des Südlichen Ozeans in Zukunft verschlechtert“, sagt Fortunat Joos, „aber vorläufig ist das erst eine Hypothese, beweisen können wir sie noch nicht.“