Breite Palette von Erfolgsfaktoren
Die Analyse der Erfolgsfaktoren bei den untersuchten Projekten ergibt ein differenziertes Bild. Denn geglückt sind Hochwasserschutzprojekte nicht einfach dann, wenn sie Wohnhäuser und Infrastrukturbauten vor über die Ufer tretenden Gewässern schützen. Die Projekte müssen auch bei möglichst allen betroffenen Bevölkerungsgruppen auf Zustimmung stossen. Sie sollen also nicht nur Hausbesitzer in den Gefahrenzonen zufriedenstellen, sondern auch Bauern, die Land für Schutzbauten abtreten müssen, oder Einsatzkräfte wie Feuerwehr und Zivilschutz. Und die Akzeptanz steigt, wenn auch die nicht direkt betroffene Bevölkerung oder Umweltschutzorganisationen einen Nutzen in den Schutzmassnahmen sehen.
Breite Akzeptanz, so die Studie, erzielen Projekte vor allem dann, wenn folgende Punkte berücksichtigt werden: Alle Akteure – darunter auch die Fachspezialisten – müssen möglichst früh in die Planung einbezogen werden. Wichtig ist die Koordination der geplanten Massnahmen über die Gemeindegrenzen hinweg, idealerweise als Teil einer regionalen Planung. Positiv auf ein Schutzvorhaben wirkt sich zudem aus, wenn damit ein zusätzlicher Nutzen verbunden ist. Die Renaturierung eines Flussabschnittes etwa – sie ist nicht nur für die Umwelt ein Gewinn, sondern schafft auch Naherholungsraum. Ausschlaggebend für den Erfolg sind aber auch eine offene Kommunikation und der Erfahrungsaustausch mit Gemeinden, die bereits ähnliche Projekte realisiert haben.
Vorausschauende Planung gefragt
Langfristig werden Hochwasserschutzprojekte daran gemessen, wie gut sie Schäden vermeiden helfen. Schutzbauten, so die Analyse des Mobiliar Labs, haben in dieser Hinsicht nicht nur positive Auswirkungen. Sie vermittelten ein Gefühl der Sicherheit, heisst es in der Studie. Blieben die Hochwasser aus, sinke das Risikobewusstsein und es drohe die «sorglose Nutzung des überschwemmbaren Gebiets». Dann zum Beispiel, wenn in einer Gefahrenzone mehr und mehr gebaut wird. Die Forscher sprechen in diesem Zusammenhang von einer nötigen «Kontrolle der räumlich-zeitlichen Risikoentwicklung». Will heissen: Hochwasserschutzprojekte dürfen nicht einfach zum Freipass fürs Bauen werden. Denn kommt es schliesslich doch einmal zu einer Überschwemmung, stellen kostspielige Gebäude ein immer grösseres Schadenrisiko dar. «Nimmt die Konzentration von Werten in geschützten Gebieten zu», gibt Luzius Thomi zu bedenken, «steigt auch das Schadenpotenzial und damit das Risiko – nicht zuletzt für die Versicherungen.»
Noch fehlt es im Schweizer Hochwasserschutz an solch vorausschauenden Überlegungen. Projekte werden meistens nicht mit Blick auf künftige Risiken realisiert, sondern als unmittelbare Reaktion auf überstandene Überschwemmungen. Bei 80 Prozent der vom Mobiliar Lab untersuchten Projekte war der Auslöser ein Hochwasserereignis. Oder in den Worten eines für die Studie befragten Gemeindevertreters: «Oberhalb des Dorfes trafen zwei oder gar drei Gewitter zusammen. Alles Wasser kam gleichzeitig runter und verwüstete das ganze Dorf. Es war klar, dass etwas gemacht werden muss.»