Forschen im Tandem

19. Januar 2015

Stefan Brönnimann, Klimatologieprofessor an der Universität Bern und Mitglied des Oeschger-Zentrums, fordert in "Nature Geoscience" eine engere Zusammenarbeit von Paläoklimatologie und dynamischer Klimatologie.

Tarawa Atoll
Tarawa Atoll

 

In seinem Gastbeitrag in der „News & Views“-Rubrik von „Nature Geoscience“ zeigt Stefan Brönnimann, wie sich zwei Forschungsbereiche zunehmend überlappen: Die Paläoklimatologie, die sich vor allem auf Proxyrekonstruktionen abstützt, sowie die dynamischen Interpretationen und Methoden der modernen Klimatologie, die vermehrt auch in der ferneren Vergangenheit eingesetzt werden. „An solchen Schnittstellen können sich innovative Ideen entwickeln“, schreibt Brönnimann. „Doch bei der Zusammenarbeit an dieser speziellen Grenzlinie geht es nicht nur darum, verschiedene Datensätze zusammenzuführen, sondern auch um das Zusammentreffen von zwei unterschiedlichen Wissenschaftskulturen.“ In der Paläoklimatologie kann bereits ein einzelner Proxy trotz Unsicherheit starkes Gewicht erhalten, so dass darauf Hypothesen aufgebaut werden. Umgekehrt hinterfragt man in der dynamischen Klimatologie selbst neuste, umfassende Datensätze sehr kritisch, insbesondere wenn es um Trends geht. Dadurch werden die Aussagen zwar sicherer, aber es bleibt wenig Raum für neue Interpretationen. .

Aus diesem Grund vertritt Brönnimann, selbst ein Klimatologe, die Ansicht, die dynamische Klimatologie sollte von der Paläoklimatologie lernen, kühner zu denken. Umgekehrt könnte Paläoklimatologen eine kritischere Sicht auf ihre Daten gut tun, wie sie von den dynamische Klimatologen gepflegt wird. „Die Zusammenarbeit als Tandems bietet beiden Gruppen die beste Möglichkeit, nicht nur Resultate sondern auch Perspektiven auszutauschen.“

Verknüpfung von Windstärken und Erwärmungsrate

Stefan Brönnimann erläutert seinen Standpunkt anhand einer Publikation von Diane Thompson und Kollegen in derselben Ausgabe von „Nature Geoscience“. Darin wagt das Autorentem eine kühne Hypothese zu einer Phase besonders schneller Erderwärmung zu Beginn des 20. Jahrhunderts. Ihre anhand von Korallen im tropischen Pazifik gewonnene Zeitreihe legt nahe, dass zu jener Zeit westliche Winde über dem tropischen Pazifik besonder häufig waren. In diesen Situation gibt der Pazifik Wärme aus seinem Inneren an die Atmosphäre ab. , Das ist gewissermassen die Umkehrung des Mechanismus, der von vielen für die in den letzten 15 Jahren verlangsamte globale Erwärmungsrate angenommen wird. Damit wird die Vergangenheit auch unmittelbar relevant für die Erklärung der Gegenwart.

„Die Vermutung, es bestehe ein enger Bezug zwischen Westwinden im äquatorialen Pazifik und der Erwärmungsrate, verbindet das Klima des frühen 20. Jahrhunderts mit der unerwartet langsamen Erwärmungsrate zu Beginn des 21. Jahrhunderts“, schreibt Brönnimann. Das schliesse allerdings bisher vorgeschlagene Mechanismen, beispielsweise ein ähnlicher Vorgang im Atlantischen Ozeans, nicht aus. Die Forschung muss jetzt diese Erklärungen gegeneinander abwägen oder miteinander in Einklang bringen – für das frühe 20. wie das frühe 21. Jahrhundert. Der schnelle Fortschritt an der Schnittstelle zwischen Paläo- und moderner Klimawissenschaft kann so zu einem besseren Verständnis des Klimasystems und der wichtigen Mechanismen beiträgt. Wie die Studie von Diane Thompson zeigt, wird mit weiteren spannenden Ergebnissen aus der Kombination von Proxy-Rekonstruktionen, Beobachtungen und dynamischer Interpretation zu rechnen sein.