Der japanische Dokumentarfilmer Okada Tomoharu hat die Drehorte seines neusten Projekts mit Bedacht gewählt: Führende Klimaforschungszentren in den USA – von der National Oceanic and Atmospheric Administration NOAA, über Georgia Tech und die University of Alaska -, der Kongress der International Union of Geodesy and Geophysics in Prag und nun das Oeschger-Zentrum. „Wir sind nach Bern gereist, weil wir Antworten auf die Frage suchen, ob es im Klima der Vergangenheit Muster gibt“, sagt Tomoharu, „mit denen sich erklären lässt, wie sich der Klimawandel in Zukunft auswirken wird.“
Auf das Oeschger-Zentrum aufmerksam geworden ist Okada Tomoharu über die Organisation PAGES (Past Global Changes), die ihren Sitz ebenfalls in Bern hat, und über deren 2k-Projekt. Dabei arbeiten Forschende auf der ganzen Welt in einem Netzwerk zusammen, um mit Hilfe natürlicher Archive die letzten 2000 Jahre Klimageschichte zu rekonstruieren. Darunter sind auch japanische Wissenschaftler, die dem Filmteam die paläoklimatologische Expertise ihrer Kollegen in Bern empfohlen haben.
Filmaufnahmen im Eislabor und am Gerzensee
Nun filmt die Crew des staatlichen TV-Senders NHK also im Eislabor der OCCR-Gruppe „Paleoklimatische und biogeochemische Untersuchungen an Eisbohrkernen“, interviewt Mitarbeitern der Gruppe „Seesedimente und Paleolimnologie“ und lässt sich von der Gruppe „Terrestrische Paläoökologie“ am Gerzensee in die Feldarbeit einführen.
Der 60-minütige Klimaforschungsfilm wird Anfangs September zu bester Sendezeit im Abendprogramm ausgestrahlt. Der prominente Sendplatz bedeutet allerdings nicht, dass sich das japanische Publikums speziell für Klimafragen interessieren würde. „Was die Leute bei uns beschäftigt, sind Naturkatastrophen, von denen unser Land immer wieder betroffen ist“, sagt Okada Tomoharu, „der Klimawand und seine Folgen beunruhigt die Menschen weniger.“ Der Filmemacher versucht deshalb, das Interesse für die Klimaforschung indirekt zu wecken: Seine Dokumentation will unter anderem zeigen, wie sich der Klimawandel auf extrem Wettereignisse wie Stürme und Überschwemmungen auswirkt.
Bezeichnenderweise ist der Film Teil einer Serie, die sich „Mega Disasters“ nennt und unter anderem über das Zustandekommen von Erdbeben und Vulkanausbrüchen berichtet. Doch, so stellt Regisseur Tomoharu klar, der englische Titel sei irreführend. Die Serie erkläre nüchtern und nicht etwa in sensationalistischer Manier, wie es zu Naturkatastrophen komme.
Klimaforschung in Flaggschiffprogramm
Der erfahrene Dokumentarfilmer, der mit Kamera- und Tonmann sowie einer Übersetzerin unterwegs ist, hat Physik studiert und sich unter anderem mit einem Film über Google („Google's Deep Impact“) einen Namen gemacht. Heute ist er Produzent in der News-Abteilung von NHK – einem Mediengiganten mit rund 10'000 Mitarbeitern – und macht Filme für „NHK Special“, dem täglichen Flaggschiffprogramm. Allein in Japan, so Tomoharu, werde sein Klimafilm, an dem er sechs Monate arbeitet, von 10 Millionen Menschen gesehen. Werde der Film zusätzlich in anderen asiatischen Ländern ausgestrahlt, könnte es auch 100 Millionen sein.
Sind Japanerinnen und Japaner, so wollen wir zum Schluss wissen, durch ihre Erfahrungen mit Erdbeben und Tsunamis besonders für die Fragen des Klimawandels sensibilisiert? „Nein“, meint Okada Tomoharu, „was die Menschen wirklich beschäftigt ist ihre wirtschaftliche Zukunft. Doch das ist in Japan wohl nicht anders als anderswo.“
Auch wenn er selbst von der Dringlichkeit des Klimaproblems überzeugt ist, hält sich Tomoharu deshalb in seiner Arbeit mit klimapolitischen Aussagen zurück. „Damit muss man in einem staatlichen Sender vorsichtig sein, politische Botschaften müssen sehr subtil verpackt werden.“ In der Tat: Japan spielt neuerdings alles andere als eine klimapolitische Vorreiterrolle. Auf dem UN-Klimagipfel von Warschau 2013 erklärte die japanische Delegation, ihr Land wolle statt der bis anhin angepeilten Reduktion von 25 Prozent nur noch 3,1 Prozent seiner Treibhausgase einsparen.