Die am OCCR entstandene Studie zeigt, das Vulkanausbrüche und eine verminderte Sonneneinstrahlung zwischen dem 13. und 15. Jahrhundert zu einer globalen Abkühlung führten. Die dadurch forcierte Meereisbildung in den Nordmeeren setzte einen positiven Rückkopplungsprozess in Gang, der die Kleine Eiszeit prägte. Das Winterwetter in Europa wird massgeblich durch die sogenannte Nordatlantische Oszillation (NAO) bestimmt. Diese Luftdruckschaukel zwischen dem Azorenhoch und Islandtief sorgt in Zentral- und Nordeuropa für milde Winter, wenn das Azorenhoch und Islandtief besonders stark ausgeprägt sind. Kalte Winter gibt es, wenn die beiden Luftdruckzentren eher schwach sind. Bis anhin lag die Vermutung nahe, dass die NAO neben Vulkanausbrüchen und einer abgeschwächten Sonneneinstrahlung mitverantwortlich dafür war, dass am Anfang des 15. Jahrhunderts das Klima abkühlte. Die daraufhin einsetzende Kleine Eiszeit hielt bis ins 19. Jahrhundert an. Nun zeigen die Berner Klimaforscher Flavio Lehner, Andreas Born, Christoph Raible und Thomas Stocker, dass die Kaltzeit auch ohne Einfluss der NAO ihren Lauf nehmen konnte, angetrieben entweder alleine durch die Folgen der gewaltigen und gehäuft auftretenden Vulkanausbrüche jener Zeit, einer verminderten Sonneneinstrahlung, oder beides zusammen.
Feedback-Mechanismus simulieren
Die Klimaforscher suchten anhand von Simulationen auf dem CSCS-Supercomputer "Monte Rosa" nach einem Rückkopplungsprozess der in der Lage war, die Kleine Eiszeit auszulösen1. Als treibende Kräfte für das Klima flossen in ihre Modelle Vulkanausbrüche sowie eine sich abschwächende Sonneneinstrahlung ein. Obwohl insgesamt sechs leicht verschiedene Startbedingungen für die Simulationen gewählt wurden, brachte jede Simulation denselben Prozess in Gang: In der Barentssee wuchsen die Meereismassen an und breiteten sich in den wärmeren subarktischen Bereich des Nordatlantiks aus, wo sie wieder schmolzen. Der Süsswassereintrag durch das Schmelzwasser veränderte die Wasserschichtung und somit die Dichteunterschiede. Infolgedessen schwächte sich die Ozeankonvektion, angetrieben durch die Dichteunterschiede, ab und es gelangte weniger warmes Wasser in das Nordmeer. Dies führte wiederum zu einer Verstärkung des Meereiswachstums. Dieser sogenannte positive Rückkopplungsprozess verstärkte die Kleine Eiszeit besonders in den nördlichen Breiten.
Ihre Resultate überprüften die Wissenschaftler erstmals mit einer synthetischen Eis-Bildungssimulation, in der sie in der Barentssee künstlich Meereis wachsen liessen, ohne dass sie die Auswirkungen von Vulkanismus oder einer geringeren Sonneneinstrahlung in ihre Simulationen miteinbezogen. "Wir konnten damit ausgehend von der Barentssee, die auch heute noch eine der 'Eismaschinenen' der Arktis ist, den gleichen Feedbackmechanismus in Gang bringen, den wir zuvor in den nur durch Vulkane und Sonneneinstrahlung angetriebenen Simulationen beobachtet haben", sagt Flavio Lehner. Laut den Wissenschaftlern hielt der Rückkopplungsprozess in den Modellen auch nach "Abschalten" des künstlichen Eiswachstums bis zu 70 Jahre an.
Die Tatsache, dass sowohl alle leicht veränderten realitätsnahen Simulationen wie auch die synthetische Eis-Simulation übereinstimmende Resultate liefern, ist für die Wissenschaftler ein handfester Beweis dafür, dass die Kleine Eiszeit vorerst alleine durch externe Trigger ihren Lauf nahm. Vulkanismus und eine geringere Sonneneinstrahlung führten - zunächst unabhängig von der Atmosphärenzirkulation - zur erhöhten Meereisbildung. Durch die Abkühlung nehme zwar über der Barentssee der mittlere Luftdruck auf Meereshöhe allmählich zu, was der Kaltluft ermögliche nach Europa vorzudringen. "Das ist aber eindeutig eine verzögerte Reaktion der Atmosphäre auf die vorangegangenen Prozesse im Ozean", sagt Christoph Raible.
Neue Fragen
Auslöser für diese Studie gab für die Berner Klimaforscher eine vorhergehende Arbeit2, in der sie 2012 anhand von Simulationen die Hypothese überprüften, ob die Nordatlantische Oszillation die sogenannte Mittelalterliche Klimaanomalie (von vor etwa 800 bis 1100 Jahren) dominierte. Diese aussergewöhnlich warme Periode der Mittelalterlichen Klimaanomalie ging der Kleinen Eiszeit voraus. Eine andere Forschungsgruppe hatte 2009 anhand von rekonstruierten Niederschlagsdaten eine anhaltende und stark ausgeprägte positive Nordatlantische Oszillation während dieser Warmzeit postuliert. Zu Beginn der Kleinen Eiszeit identifizierten die Forscher zudem einen deutlichen Übergang hin zu einer oszillierenden, eher negativen NAO3. Sie zogen aus ihren Resultaten den Schluss, dass die NAO3 die mittelalterliche Klimaanomalie und deren Übergang in die Kleine Eiszeit massgeblich beeinflusste.
Als die Berner Forscher diese Schlussfolgerung anhand ihrer Klimamodelle nicht definitiv bestätigen konnten, suchten sie nach dem nun im Journal of Climate der American Meterorological Society publizierten plausiblen Mechanismus, der unabhängig von der NAO die Kleinen Eiszeit in Gang setzte. "Indem wir vergangene Klimaschwankungen besser verstehen, und somit auch das komplexe Klimasystem, können wir daraus wertvolle Erkenntnisse für mögliche Zukunftsszenarien ableiten", sind die Forscher überzeugt. Die Simulationen mit denen die Wissenschaftler den Feedbackmechanismus identifizierten, reichen bis zum Jahr 1500, dem Zeitpunkt an dem sich der Übergang in die Kaltzeit vollzogen hatte. Derzeit laufen auf "Monte Rosa" Simulationen die von der Mittelalterlichen Klimaanomalie, vom Jahr 850 bis ins Jahr 2100 reichen. Mit den ersten Ergebnissen rechnen die Forscher im Winter dieses Jahres.
Literaturhinweis:
- Lehner F, Born A, Raible C & Stocker T: Amplified inception of European little ice age by sea ice-ocean-atmosphere feedbacks, Journal of Climate, 2013, doi: 10.1175/JCLI-D-12-00690.1, in press.
- Lehner F, Raible C & Stocker T: Testing the robustness of a precipitation proxy-based North Atlantic Oscillation reconstruction, Quaternary Science Reviews, 2012, 45, 85-94, doi: 10.1016/j.quascirev.2012.04.025
- Trouet V et al.: Persistent Positive North Atlantic Oscillation mode dominated the medieval climate anomaly, Science, 2009, 324, 78-80, doi: 10.1126/science.1166349.