Mehr als 20 Forschungsgruppen aus der ganzen Schweiz haben in den vergangenen zwei Jahren am Klimafolgen-Bericht mitgearbeitet. Initiiert und koordiniert wurde das bisher einmalige Projekt vom Oeschger-Zentrum, finanziell unterstützt haben es das Bundesamt für Umwelt (BAFU) und MeteoSchweiz. In ihren Untersuchungen zu sieben Themenbereichen – von Gletscher und Wasserhaushalt über Wald, Biodiversität und Landwirtschaft bis zu Gesundheit und Energie – gingen die Forschenden von den so genannten «CH2011-Szenarien» zur künftigen Entwicklung von Temperatur und Niederschlag in der Schweiz aus. Aus diesen Klimaszenarien leiteten sie konkrete Klimafolgen ab. Dabei konnten die zahlreichen Forschungsgruppen durch die einheitliche Basis ihre Modelle mit den gleichen Daten füttern und so die Resultate vergleichbar machen. «Dieser Ansatz liefert wertvolle Grundlagen für die Entwicklung von Anpassungsstrategien», sagt Christoph Raible vom Oeschger-Zentrum, der das Projekt koordinierte.
Die Ergebnisse des «CH2014-Impacts»-Projekts bestätigen bestehendes Wissen über die Klimafolgen und liefern neue Erkenntnisse. So werden zum Beispiel bisherige Beurteilungen zu den Veränderungen der Schweizer Gletscher klar bekräftigt: Falls keine einschneidenden klimapolitischen Massnahmen ergriffen werden, verschwinden bis Ende dieses Jahrhunderts rund 90 Prozent der Schweizer Gletscher. Schon 2035 wird fast die Hälfte des heute verbleibenden Gletschereises abgeschmolzen sein.
Gewinner und Verlierer im Wald
Für den Wald zeigt «CH2014 Impacts» differenzierte Entwicklungen: In tiefen Lagen von schon heute sehr trockenen inneralpinen Tälern – wie etwa das Saastal im Wallis – reagiert der Wald sehr sensibel. Bereits eine kleine zusätzliche Erwärmung zeigt Folgen. Der Baumbestand wird durch schwächeres Wachstum bedroht und gerät unter erhöhten Borkenkäferdruck. Darunter leidet die Schutzwirkung gegen Lawinen und Steinschlag. Anders sieht es an der alpinen Baumgrenze aus, wo das Baumwachstum zunimmt. Das hat positive Folgen sowohl für die Schutzwirkung wie für die Holzproduktion und die Kohlenstoffspeicherung. Starke Veränderungen zeigen die Wälder in vielen Fällen erst gegen Ende dieses Jahrhunderts. Doch die Waldpflege müsse sich gemäss den Forschenden bereits heute auf die zu erwartenden längerfristigen Entwicklungen einstellen.
Grosse regionale Unterschiede
Der «CH2014-Impacts»-Bericht zeigt deutlich die grossen regionalen Unterschiede in den Auswirkungen des Klimawandels auf. So wird insbesondere das Tessin mit negativen Folgen des Temperaturanstiegs konfrontiert. Die Hitzephasen mit so genannten Tropennächten könnten sich auf eine Länge von bis zu zwei Monaten ausdehnen. Darunter hätten nicht nur die Menschen zu leiden. Den Kühen zum Beispiel droht Hitzestress, und dem Wald macht die Trockenheit zu schaffen. Die sensible Südschweiz, so ein weiteres Resultat aus dem Bericht, muss mit markanten Auswirkungen des Klimawandels rechnen – «Sogar wenn global wirksame Klimaschutzmassnahmen ergriffen werden», sagt Raible.
Im Mittelland hingegen sind auch positive Folgen zu erwarten, sofern es durch wirksame Klimapolitik gelingt, die Auswirkungen auf ein verkraftbares Mass zu beschränken. Zum Beispiel im Weinbau, wo wärmere Bedingungen den Anbau von zusätzlichen Traubensorten erlauben. Ohne Klimaschutzmassnahmen werden voraussichtlich problematische Folgen dominieren. So muss etwa mit stärkeren Schwankungen bei den Abflussmengen von Flüssen gerechnet werden, und die Temperatur des Grundwassers dürfte ansteigen – mit möglicherweise negativen Konsequenzen für die Trinkwasserqualität. Zu starken Umwälzungen kommt es bei der Artenzusammensetzung von Vogel- und Pflanzenvorkommen. Zunehmend ungeeignete Klimabedingungen gefährden bis Ende Jahrhundert beispielsweise das Überleben von Fichte und Buche, der heute im Mittelland am meisten verbreiteten Baumarten.
Verminderung der Treibhausgasemissionen vordringlich
Ob mit oder ohne Klimaschutz, so ein Fazit von «CH2014 Impacts», kommt die Schweiz nicht um Anpassungen herum. Dazu zählt auch verbessertes Management zum Beispiel in der Landwirtschaft – unter anderem bei Sortenwahl und Schädlingsbekämpfung – oder in der Wasserversorgung. Durch die sich verändernden Abflussmengen in den Flüssen muss künftig haushälterischer mit Wasser umgegangen werden. Aber auch die Forstwirtschaft stellt der Klimawandel vor neue Herausforderungen. Die sich wandelnden Bedingungen machen eine Anpassung der Waldpflege und die Förderung der Biodiversität nötig.
Anpassungsmassnahmen und verbessertes Management reichen aber nicht aus, um dem Klimawandel zu begegnen. Nach wie vor bleibt eine Verminderung der Treibhausgasemissionen vordringlich. Mit anderen Worten: Anpassung und Klimaschutz müssen Hand in Hand gehen. «Wenn es gelingt, den Klimawandel zu begrenzen, lässt sich die Anpassung an seine Folgen erfolgreicher und kostengünstiger bewerkstelligen», fasst Raible zusammen.