Nach dem Gymnasium, nach Militärdienst und Aufenthalten an den landwirtschaftlichen Schulen Cernier und Rütti begann Alfred Bretscher im Jahr 1941 an der Universität Bern sein Biologiestudium mit den drei Fächern Zoologie, Botanik und Chemie. Nach dem Doktorat und mehreren Auslandsreisen für die Kinderhilfe des Schweizerischen Roten Kreuzes verbrachte er einen einjährigen Studienaufenthalt an der University of Connecticut und forschte im Bereich der Entwicklung von Hühnerembryonen. Als anschliessend, nach einer Anstellung am Zoologischen Institut der Universität Bern von 1949 bis 1951, keine Gymnasiallehrerstelle frei war, erwarb Alfred Bretscher kurzerhand das Sekundarlehrerpatent. Danach unterrichtete er zuerst in Huttwil und war dann bis zu seiner Pensionierung im Jahre 1984 an der Sekundarschule Viktoria in Bern unzähligen Bernerinnen und Bernern ein unvergesslicher Lehrer. An den Universitäten Bern und Freiburg erteilte Alfred Bretscher zudem Unterricht in Chemiedidaktik für Sekundarlehrer.
Alfred Bretscher war kontaktfreudig und liebte die menschliche Gesellschaft. Wer ihm begegnete, konnte sich seinem Schalk, den er bis ins hohe Alter bewahrte, nicht entziehen. Da er selber keine Familie besass, war sein riesiger Freundes- und Bekanntenkreis seine eigentliche Familie. Vielseitige Aktivitäten und Freundschaften verbanden ihn mit den Pfadi Schwyzerschtärn und mit dem Cruising Club der Schweiz, sowohl Pfadfinder wie Segler nahmen in grosser Zahl an der Abdankung Abschied von ihrem Ehrenmitglied. Alfred Bretscher war ein begnadeter und witziger Geschichtenerzähler. Die zahlreichen Anekdoten von seinen Pfadilagern, seinen Segellagern und Segeltörns oder seinen abenteuerlichen Reisen mit dem legendären Wohnwagen, den er liebevoll «Hüslischnägg» nannte, würden ein dickes Buch füllen.
Alfred Bretscher hat nie ein Hehl daraus gemacht, dass er viel Geld geerbt hatte und dabei betont, dass er dieses Geld abgesehen vom Reisen und vom Segeln für andere einsetzen möchte. Ein sehr wichtiges Stück Heimat war für ihn zeitlebens die Universität Bern. Aufgrund seines sehr breiten Interesses für die Forschung bezeichnete er sich gern als «Hansdampf in allen Gassen», war regelmässig an zahlreichen universitären Gesellschaften präsent und besuchte seinem Hobby folgend noch im hohen Alter inmitten junger Studierender die Meteorologievorlesungen der Geographie. Über viele Jahre präsidierte er die Stiftung seines Vaters, die er nach der Schaffung seines eigenen «Alfred-Bretscher-Fonds» ebenfalls in einen Fonds umwandelte. Als Mäzen stiftete er der Universität Bern zahlreiche Millionen. Diese wurden seinem Wunsch entsprechend für die Klima- und Nanopartikelforschung sowie für Exkursionen und Feldkurse der Geo- und Biowissenschaften eingesetzt. Mit dem Mitteln aus seinem «Alfred Bretscher Fonds» konnten zahlreiche Doktorarbeiten in denjenigen Themen finanziert werden, die ihn interessierten: Windstürme, Wetterlagen, die zu Überschwemmungen im Alpenraum führen, Radiokarbon-Messungen an Methan, holozäner Klimawandel am Iffigensee. Zudem finanzierte er den Kauf des hochauflösenden Elektronenmikroskopes «Alias» am universitären Microscopy Imaging Center am Institut für Anatomie. Zu erwähnen ist auch sein Beitrag zur Schaffung einer aktiven universitären Alumniorganisation. Als interessierter Hörer nahm Alfred Bretscher regelmässig an den Veranstaltungen der von ihm unterstützten Doktorierenden teil und stellte von der vordersten Reihe aus knifflige Fragen. Der Rektor der Universität Bern, Professor Christian Leumann, würdigte an der Abdankung in der Nydeggkirche die grossen Verdienste Alfred Bretschers, dem dafür von der Universität Bern im Jahre 2007 die Würde eines Ehrensenators verliehen worden war. Wie der Rektor in seiner Rede erwähnte, liess der Verstorbene keine Senatssitzung aus.
Alfred Bretscher verbrachte einen grossen Teil seines Lebens mit zwei Katzen in seiner schönen Duplexwohnung über den Räumlichkeiten der Seniorenvilla Grüneck. Auch diese war von ihm gestiftet worden. In seinem bestausgerüsteten privaten Computerlab arbeitete er dort bis in seine letzten Tage an seinen professionellen Computergrafiken, mit denen er seine Freunde an der Universität bediente. Mit der Geschäftsführerin der Seniorenvilla Grüneck war er als väterlicher Mitbewohner eng befreundet. Am 16. Dezember ist er dort nach ganz kurzer Krankheit friedlich eingeschlafen. Wir werden Alias in sehr lebhafter Erinnerung behalten.
Prof.em. Dr. Peter Gehr, Prof. Dr. Martin Grosjean und Prof. em. Dr. Heinz Wanner