Der erste Anlauf war harzig. Als Kathrin Keller, Melanie Salvisberg und Chantal Camenisch damit begannen, ihre Workshop-Idee in die Tat umzusetzen, ernteten die beiden Doktorandinnen und die PostDoc-Forscherin manch fragenden Blick. „Manche Leute hatten sogar das Geühl, wir seien nur von unseren Professoren vorgeschoben worden“, erählt Kathrin Keller. „Es ist offensichtlich selten, dass die Initiative zu einer internationalen Tagung von unten in der akademischen Hierarchie kommt.“
Doch die drei Frauen liessen sich nicht beirren, stellten Finanzierungsgesuche, überzeugten die Leitung des Oeschger-Zentrums von ihrem Vorhaben, gewannen namhafte Forschende als Referenten und lösten ein ganze Reihe von organisatorischen und logistischen Problemen. Und nun werden am 4. und 5. Dezember 2014 rund 50 Teilenehmerinnern und Teilnehmer darüber debattieren, ob die Zeit um 1430 tatsächlich das kälteste Jahrzehnt des letzten Jahrtausends war und welche Folgen diese Kältephase für Wirtschaft, Gesellschaft und Kultur hatte.
Historisches und klimatologisches Wissen austauschen
Den Anstoss, eine wissenschaftliche Tagung zum Spörer Minimum zu organisieren, einer Kältephase im 15. und 16. Jahrhundert, kam von Chantal Camenisch. Die Historikerin hatte in ihrer Dissertation das Klima dieser Epoche mit historischen Dokumenten aus jener Zeit rekonstruiert und nach Literatur zum Spörer Minimum gesucht, jedoch nur ältere und vor allem widersprüchliche Literatur gefunden. Da kam ihr die Idee, auch andere Forschende könnten ein Interesse an einem Austausch von historischem und klimatologischem Wissen über dieses aussergewöhnliche Kapitel der Klimageschichte haben.
An einer „Apero Series“ genannten Veranstaltungsreihe des Oeschger-Zentrums, an der sich junge Forschende über ihre Arbeit austauschen, kam Chantal Camenisch mit Kathrin Keller und Melanie Salvisberg ins Gespräch. Die eine arbeitet als Klimawissenschafterin einer Dissertation im Bereich Klimamodellierung, die andere untersucht für ihre Doktorarbeit als Historikerin den Umgang mit Hochwassergefahr. Schliesslich beschlossen die drei, sich gemeinsam auf unbekanntes Terrain zu wagen und einen Workshop zum Spörer Minimum zu veranstalten. Benannt übrigens nach dem deutschen Astronomen Gustav Spörer, der diese Periode geringer solarer Aktivität als erster beschrieben hatte. Besonders dramatische Witterungsverältnisse herrschten in den Jahren zwischen 1430 und 1439 vor, in deren Folge Missernten in ganz Europa zu Hungersnöten führten.
Intellektuelles Experiment zwischen den Disziplinen
Seit dem ersten Gedankenaustausch beim Apéro sind acht Monate vergangen, in denen die drei jungen Forscherinnen so einiges gelernt haben, was nicht Teil ihres akademischen Curriculums ist: „Ich war erstaunt, um was man sich alles kümmern muss“, sagt Kathrin Keller, „an das man sich als Teilnehmerin einer Konferenz gar nie denkt.“ Auch wenn die Initiative zum Spörer Minimum Workshop aus persönlichem Interesse zu Stande gekommen ist, könnte sich die Organisation des Anlass auch positiv auf die Karriere der Veranstalterinnen auswirken. Erfolgreiches wissenschaftliches Networking zahlt sich aus. Doch fürs erste ist Kathrin Keller gespannt, ob die Rekonstruktionsspezialistinnen, Klimamodellierer und Historikerinnen aus halb Europa in Bern wirklich miteinander ins Gespräch kommen. „Ich bin neugierig, ob sich diese Leute gedanklich irgendwie treffen, das ist ein richtiges Experiment.“