Gesucht: politisch akzeptierbare Anpassungsstrategien

28. Oktober 2014

Forschende aus unterschiedlichen Disziplinen setzen sich am Oeschger-Zentrum mit Anpassungsstrategien für die Schweiz an den Klimawandel auseinander. In einem grossen Sinergia-Projekt suchen sie nach Konzepten, die einerseits Schutz vor den Klimafolgen versprechen und andererseits wirtschaftlich tragbar und politisch umzusetzen sind.

 

Mit diesem Projekt verabschieden sich die Berner Klimaökonomen von interdisziplinärer Forschung auf der Einbahnstrasse. Bis anhin sah die Zusammenarbeit zwischen Natur- und Wirtschaftswissenschaftern nämlich so aus: Klimatologen und Hydrologen lieferten Datenmaterial, das den Ökonomen als Input für ihre Modelle diente. Zu einem eigentlichen wissenschaftlichen Austausch kam es nicht.

Im soeben angelaufenen Projekt CCAdapt (kurz für: Climate Change Extremes and Adaptation Strategies considering Uncertainty and Federalism) wird das anders. „Zum ersten Mal betreiben wir Wissenschaft im Dialog“, verspricht Gunter Stephan, Professor für Volkwirtschaftslehre. „Möglich ist das, weil die Fragestellung in diesem Projekt sehr fokusiert ist.“ Stephan ist Initiant und Leiter von CCAdapt und betont den Netzwerkcharakter des breit angelegten Projekts. Will heissen: Die Kommunikation verläuft in allen Richtungen; unter den acht an CCAdapt beteiligten Forschungsgruppen – fünf davon am Oeschger-Zentrum - sprechen alle mit allen. Die Politikwissenschafter mit den Klimaökonomen, die Hydrologen mit den Fachleuten für öffentliche Finanzen und die Spezialisten für Mikroökonomie mit jenen für Klimarisiken.

Forschung, die in die Politik einfliessen kann

Die Ziele des Projekts, das mit einem Budget von 1,1 Millionen Franken und einer Laufzeit von drei Jahren zu den grossen, vom Schweizerischen Nationalfonds geförderten Sinergia-Vorhaben zählt, umschreibt Gunter Stephan so: „Wir wollen Konzepte für Anpassungsmassnahmen entwerfen, die politische Akzeptanz finden“. CCAdapt will einerseits den wissenschaftlichen Umgang mit Anpassungsmassnahmen verbessern und andrerseits Werkzeuge entwickeln, die beispielsweise in der Regionalplanung zu Einsatz kommen könnten. „Wir machen aber keine Politikberatung“, stellt Gunter Stephan klar, „sondern betreiben wissenschaftliche Forschung, die allerdings auch in die Politik einfliessen kann.“

CCAdapt arbeitet in mehreren Stufen. Ausgangspunkt ist die Erkenntnis, dass die Schweiz künftig mit den Folgen des Klimawandels leben muss. Der Wandel lässt sich durch die Klimapolitik – wie griffig diese auch sein mag - nicht aufhalten, sondern höchstens bremsen. Anpassungsmassnahmen werden also unvermeidlich. Doch wo, wann, und wie soll die Adaption am besten geschehen?

Wissenschaftliches Pingpong im Netzwerk

In einem ersten Schritt will das CCAdapt-Team diese Fragen von der Theorie her angehen und klären, welche der vielen heterogenen Anpassungskonzepte unter den gegebenen unsicheren Bedingungen optimale Resultate versprechen. Danach werden diese theoretischen Konzepte so modifiziert, dass sie empirische Analysen ermöglichen. Die Herausforderung dabei: Die Gleichgewichtsmodelle, mit denen die Klimaökonomen arbeiten, müssen angepasst werden. Und zwar so, dass die Simulationen räumlichen Besonderheit einbeziehen und den Typ der Klimabedrohung berücksichtigen. In einem vierten Schritt geht es CCAdapt um die Implementierung der Anpassungsstrategien mit Blick auf die föderalistische Struktur der Schweiz. Gunter Stephan: „Wir wollen klären, wie sich der politische Prozess so steuern lässt, dass sich die Strategien tatsächlich umsetzen lassen.“ Und schliesslich werden die entwickelten Werkzeuge und Methoden an einer Fallstudie getestet: die Anpassung an Hochwasser, die in der Schweiz als Folge des Klimawandels häufiger und stärker werden dürften.

Konkret soll der Austausch unter den in vier inhaltlichen Teams organisierten Forschenden so vor sich gehen, dass der Input einer der Gruppen immer Fragestellungen bei einer der anderen auslöst. Die gefundenen Antworten werden zurück- oder im Netzwerk weitergespielt.

Wann macht Hochwasserschutz wirtschaftlich Sinn?

So existiert zum Beispiel ein maximaler finanzieller Aufwand, für den Anpassungsmassnahmen wirtschaftlich noch Sinn machen. Die Theoriegruppe wird diesen Wert für die Anpassung an Hochwasser bestimmen und ihn an die Impact-Gruppe weitergeben. Diese berechnet dann, welches Ausmass einer Überschwemmung diesem Maximalwert entspricht und wie wahrscheinlich solchen Ereignisse in Zukunft sind. Diese Daten wiederum werden von der Modellierungsgruppe weiterverwendet.

Mit dem Klimawandel und seinen Folgen befassen sich viele wissenschaftliche Disziplinen und dies seit Jahren. Doch der Wissensstand ist nicht überall gleich gross. „Die Naturwissenschaften verfügen über ein relativ klares Bild “, sagt Gunter Stephan, „das Bild des Klimawandels aus sozial- und wirtschaftswissenschaftlicher Sicht hingegen ist noch ziemlich verschwommen.“ Dass sich zum Beispiel Ökonomen erst seit kürzerem mit der Klimaanpassung beschäftigen, hat seinen Grund: Lange Zeit war in der Politik nur davon die Rede, das Klimaproblem an seinen Wurzeln anzupacken; sprich, die Treibhausgaseimissionen in den Griff zu bekommen. Dass es parallel dazu auch gilt, Lösungen für die Klimafolgen zu finden, wurde unter den Tisch gewischt. „Wir haben heute im Anpassungsbereich einen relativ hohen Forschungsbedarf“, sagt Gunter Stephan, „diese Lücke wollen mir mit dem Projekt CCAdapt füllen helfen.“